Der Efeu – vom Schatten zum Licht     

Im winterlichen Garten fällt er besonders auf, der Efeu, der Bäume und Mauern  begrünt und schmückt. Wegen seiner Ausdauer, seiner Lebenskraft und seiner immergrünen Blätter gilt er seit alter Zeit als Symbol des ewigen Lebens, der Verbundenheit und Treue über den Tod hinaus.
Auch in den kahlen, winterlichen Wäldern begegnen wir ihm.
Er kriecht über den schattigen Waldboden und klettert, sich mit seinen borstigen Haftwurzeln an der Rinde festhaltend, die Bäume empor.
Dabei saugt er sie nicht aus, sondern benutzt sie lediglich als Kletterhilfe und Stütze. Kleinbleibende, zarte Bäume kann der Efeu durch seine immer stärker werdenden Triebe allerdings sehr bedrängen und an den Rand ihrer Existenzmöglichkeiten bringen. Für große Bäume, wie die mächtigen Eichen gilt er als unschädlich. Er überwindet  20-30 Meter und er kann alt werden.
Bis zu 450 Jahre sollen möglich sein.

Schaut man sich den Efeu etwas genauer an, so entdeckt man allerlei Besonderes und Rätselhaftes  an ihm.  Zum Beispiel wandelt sich die Form seiner Blätter. An jungen Efeupflanzen sind sie drei- bis fünffach gelappt und ihre Spitzen sind überwiegend nach unten zur Erde gerichtet. Diese nennt man junge oder juvenile Blätter.

Hat der Efeu einen Baum ein Stück erklommen, beginnt er, sich vom Haftgrund zu lösen und waagerechte Triebe zu bilden. An diesen frei schwebenden Seitenzweigen bildet er nun einfache, eiförmige, so genannte adulte Blätter aus und auch Blüten. Diese sind kugelige Dolden von gelb-grüner Farbe.
Sie haben einen etwas unangenehmen Geruch, der Schmetterlinge und Aasfliegen zu einem Besuch einlädt.
Der Efeu blüht nicht wie die meisten anderen Pflanzen im Frühling, sondern im Herbst und er bildet seine blau-schwarzen Früchte in unserer Winterzeit aus. Sie sind in karger Zeit allerlei Vögeln eine willkommene Speise.
Für uns Menschen sind die Früchte allerdings giftig, lösen beim Verzehr Brechdurchfall,  Herzrasen und Krämpfe aus

Die Blätter des Efeus enthalten u.a. Saponine und wirken in zu starker Dosierung ebenfalls giftig. Sie sollten daher nicht selbst gesammelt werden!
Pharmakologisch hergestellte Efeublätter-Extrakte oder Tinkturen, die in Apotheken erworben werden können, wirken entzündungshemmend, krampf- und schleimlösend. Sie werden z.B. bei chronisch-obstruktiver Bronchitis, Asthma und Keuchhusten eingesetzt. In der richtigen Dosierung eingenommen ist der Efeu also eine gute Arznei für Menschen, die durch Verkrampfung der Bronchien und Verschleimung in ihrer Atmung stark eingeschränkt sind.

Betrachten wir nun die wesenhaften Qualitäten und Kräfte des Efeus.
Zunächst sucht er sich seinen Weg am schattigen Boden, bis er beginnt, einen Baum oder eine Mauer zu erklimmen. Immer weiter und höher treibt er nun seine Sprosse. Dabei zeigen seine gelappten Blätter mit ihren Spitzen hinunter zur Erde, zurück in den Schatten. In der Höhe angekommen wächst er dann z.T waagerecht zum Licht, wandelt bzw. vereinfacht die Form seiner Blätter und löst sich dabei von seinem haltenden Untergrund. Hier nun blüht und fruchtet er, allerdings nicht im hellen, sonnigen Frühjahr sondern im kühlen und dunklen Herbst und Winter. Er verliert auch nicht seine Blätter, sondern bleibt immer grün. Er hat die Kraft und die Möglichkeit, gegen den Rhythmus der Jahreszeiten zu blühen und Früchte reifen zu lassen. Sein Bestreben scheint es zu sein, aus dem Schatten  hinauf zum Licht zu gelangen und von der Anhaftung zur Freiheit.

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