Grünkraft

Bereits in tiefer Winterdunkelheit beginnt sich zu regen, was uns im zeitigen Frühjahr neu belebt. Es ist das sprießende Grün der „jungen Wilden“, der Wildkräuter.  Es ist aber auch die Erneuerungskraft in den Knospen und zarten ersten Blättern unserer Sträucher und Bäume.
Hildegard von Bingen (geboren 1098), Äbtissin, Heilpflanzenkundige und Mystikerin nannte diese belebende und reinigende Kraft in den Pflanzen „Grünkraft“.

Zu Hildegards Zeiten war diese frische, grüne Kost nach einem langen und kalten Winter sicher überlebenswichtig. Aber auch heute haben Wildkräuter ihre Bedeutung für uns Menschen, sind sie doch um vieles vitamin- und mineralstoffreicher als „zahmer“ Salat aus dem Treibhaus.
Viele Wildkräuter enthalten außerdem Bitterstoffe, die unseren Stoffwechsel wieder in Schwung bringen und uns neu beleben.

Brennnessel, Giersch, Knoblauchrauke, Löwenzahn, Gänseblümchen und Gundermann (und viele mehr) sind reich an gesunden Inhaltsstoffen und überall zu finden. Gewährt man ihnen ein Eckchen im Garten und erntet regelmäßig von ihnen, dann braucht man sich um seine Gesundheit eigentlich nicht weiter zu sorgen. Roh, getrocknet oder gekocht können sie vielfältig genutzt werden.

Früher kochte man traditionell aus neun dieser Kräuter eine Suppe und aß sie in dem Bewusstsein, sich dadurch mit den Kräften der Natur und Mutter Erde zu verbinden.

Betrachten wir nun den Löwenzahn etwas genauer.
Im Volksmund wird er auch Hundeblume, Butterblume oder Bettseicher genannt. Er ist für seine große Durchsetzungskraft und Anpassungsfähigkeit bekannt und sucht sich sogar auf Beton, in kleinen Rissen und Spalten sein Plätzchen zum Leben.
Je nach Standort ist er unterschiedlich gestaltet. Auf fetten und feuchten Wiesen erscheint er groß und saftig, auf mageren, trockenen Böden eher klein und ausgeformt. Er bildet im Mai kräftige goldgelbe, eher derbe Korbblüten, die sich später zu filigranen und hauchzarten Samenkugeln wandeln.
Jedes einzelne Samenkorn hängt an einem Schirmchen und wird vom Wind davongetragen. Weit von der Mutterpflanze entfernt wird der neuer Löwenzahn keimen.

Seine Inhaltsstoffe (z.B. Bitterstoffe, Schleimstoffe, Vitamine, v.a. viel Vitamin C und A sowie Mineralstoffe) regen unsere Verdauung, den Gallefluss und den Stoffwechsel an.
Auch auf die Nieren wirkt der Löwenzahn anregend. Harnsäure und andere Stoffwechselprodukte werden ausgeschwemmt, rheumatische Beschwerden können dadurch gelindert werden.

Bis auf die Samen können alle Teile des Löwenzahns in der Küche genutzt werden. Wurzeln und Blätter können getrocknet und als Tee getrunken werden. Blätter frisch im Salat gegessen oder in der „Neunkräutersuppe“ zusammen mit anderen Kräutern gekocht werden. Die Blüten können in Wasser oder Saft gekocht und ausgezogen und mit Zucker zu einer Art „Honig“ oder auch zu Gelee verarbeitet werden. Alles sehr köstlich!

Die Natur schenkt sich uns jedes Frühjahr aufs Neue, darauf dürfen wir vertrauen.
Sie breitet sich vor uns aus, wie ein großes aufgeschlagenes Buch, in dem wir lesen und aus dem wir lernen dürfen.
Mit offenen Augen durch die Natur gehen und die Pflanzen am Wegesrand und vor der Haustür wie gute Bekannte mit Namen ansprechen können, fühlt sich wunderbar an und wenn man dann noch weiß, wofür die Kräutlein gut sind und wie man sie zubereiten kann, welch einen Schatz hat man da für sich erworben!

 

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